Der Charakter besteht in einer chronischen
Veränderung des Ichs, die man als
Verhärtung beschreiben möchte. ...
Der Grad der charakterlichen Beweglichkeit,
die Fähigkeit, sich einer Situation entsprechend
der Außenwelt zu öffnen oder gegen sie
abzuschließen, macht den Unterschied zwischen
realitätstüchtiger und neurotischer Charakterstruktur aus.
(Wilhelm Reich: Charakteranalyse)
Die Struktur der charakterlichen Panzerung beruht auf der Versagung libidinöser, d.h. sexueller Bedürfnisse in der Kindheit, davon abhängig, in welcher Entwicklungsphase die Triebbefriedigung blockiert wird.Wird z.B. ein Baby in der Befriedigung oraler Lustbedürfnisse - dem Kontakt mit der Mutterbrust - behindert oder wird ein dreijähriges Kind, anstatt Lust an der Ausscheidung empfinden zu dürfen, gezwungen, Ekel und Abscheu zu entwickeln, werden bestimmte charakterliche Weichen gestellt. Besiegelt wird die Charakterbildung jedoch durch die Form der Überwindung des Ödipuskomplexes. Das Kind entwickelt genitale Bedürfnisse gegenüber einem Elternteil, diese werden zurückgewiesen und das Kind wendet die Kraft der sexuellen Strebungen gegen die eigene Person. Welcher Art und wie stark der neurotische Aspekt des Charakters ist, hängt also von Zeitpunkt der Triebversagungen ab, deren Intensität und Häufigkeit, sowie von der versagenden Person selber
Wilhelm Reich stellt dem neurotischen den genitalen Charakter gegenüber. Während der neurotische Charakter nicht mehr in der Lage ist, direkte Triebbefriedigung zu erleben, ist der genitale Charakter nie zu weit blockiert worden, so daß er befriedigende sexuelle und soziale Kontakte eingehen kann.
Normalerweise mischen sich kranke und gesunde Elemente der Charakterstruktur, es gibt also keine rein neurotischen oder rein genitalen Charaktere. Ziel aller psychiatrischen Methoden Reichs ist die möglichst umfassende Sicherung gesunder, d.h. genitaler Charakterelemente.